Protest der Kirchen
Kirchliche Vereine sahen das Familienglück bedroht
Ganz so hindernislos, wie es jecke Chronisten beschrieben, ging es Anfang des neuen Jahrhunderts im Karneval doch nicht zu. Den Kirchen mißficlen zeitweilig das närrische Treiben im allgemeinen und der Rosenmontagszug im besonderen. Die Vorsitzenden der vereinigten evangelischen Vereine, darunter auch Pfarrer, müssen geradezu fürchterliche Zustände beobachtet haben.
„Wir können-, hieß es in einer Entschließung im Januar 1904 an Oberbürgermeister Wilhelm Marx und die Stadtverordneten, „nicht anders, als das karnevalistische Treiben aus sittlichen und sozialen Gründen zu verwerfen." Ganz abgesehen davon, daß noch ein unaufgeklärter Mord, der „unter der scheinbar so unschuldigen Faschingsmaske verübt worden ist, schwer auf den Gemütern", laste, „stimmen alle wahren Volksfreunde und Volkskenner darin überein, daß Trunksucht und Unzucht, Leichtsinn und Verschwendung an keinen Tagen mehr Opfer fordern und traurigere Orgien feiern als an den Karnevalstagen. Geistliche und Lehrer aller Konfessionen wissen gleichfalls genug davon zu erzählen und können es tausendfach erhärten, daß das Karnevalstreiben durchaus nicht so harmloser Art ist, wie es gewöhnlich hingestellt wird". Und weiter: „Nie sind die Pfandhäuser überfüllter, als kurz vor der Karnevalszeit, nie die Polizeiberichte länger als während der Karnevalstage, nie Bettelei, Unzufriedenheit und unordentliches Wesen großer als nach denselben..." Ja, „so manches Familienglück wird unter dem demoralisirenden, die Volksgesundheit untergrabenden Eintluß des karnevalistischen Treibens vernichtet".
Auf die Barrikaden getrieben hatte die Vorsitzenden der evangelischen Vereine der Beschluß einer Versammlung von Karnevalsfreunden, die Stadt um einen Zuschuß für den Rosenmontagszug zu bitten, um dem närrischen Treiben in Düsseldorf „eine bedeutendere Anziehungskraft zu verleihen".
Oberbürgermeister Wilhelm Marx, an den der Protest adressiert war, galt als „warmherziger Förderer des vaterstädtischen Festes". „Jo", bekannte er einmal öffentlich, „wenn ich nit so en alde Mösch wör, dann jing ich och noch en de Bütt." Die Bedenken der Gegner des Karnevals ließ er bei Veranstaltungen in die Mahnung münden, es an den tollen Tagen „nicht zu weit" zu treiben; er schränkte jedoch gleichzeitig ein: „...äwwer och nit ze eng! Wenn do eso lecker Weit kömmt, do moß mer bütze, dat jeht jar nit angersch."