Karneval und Kittchen
jecker Lärm begünstigte Ausbruchsversuch
Übrigens war der Karneval schuld daran, daß einigen Häftlingen vor 100 Jahren um ein Haar der Ausbruch aus dem Düsseldorfer Gefängnis gelungen wäre. Zehn der Untersuchungsgefangenen, die aus dem zu ebener Erde gelegenen "Kittchen" an der Akademiestraße zu entkommen versucht hatten, wurden zu je zehn Monaten Haft verdonnert.
Die Beteiligten versicherten damals, daß sie gar nicht auf den Gedanken gekommen wären, sich von dannen zu machen, wenn sie nicht damit hätten rechnen können, daß der mit dem Ausbruch einhergehende Lärm durch das Getöse des Fastnachtsbetriebes in einer nahen Wirtschaft übertönt werden würde. In dem Lokal sollen sich während des Karnevals ehemalige Sträflinge herumgetrieben haben, die in einem Schriftstück des Regierungspräsidenten verdächtigt werden, "durch Veranstaltung eines außerordentlichen Lärms auf musikalischen Instrumenten, z.B. Drehorgeln, Pauken und Schellen, den Ausbruchsversuch begünstigt und durch Pfiffe und sonstige Signale sich mit den Gefangenen in der Anstalt verständigt zu haben". "Aus diesem Anlasse" wird die städtische Obrigkeit unter dem 16. Januar 1901 ersucht, "das Fastnachtstreiben in der Nähe des Gefängnisses in diesem Jahr durch eine Anzahl von Polizisten bei Tage und zur Nachtzeit überwachen und Übermäßigen Lärm auf den angrenzenden Straßen und in den dortselbsl gelegenen Wirthschaflrn streng veibieten und verhindern ru lassen". In der AnW•caU an den Regierungspräsidenten heißt es, daß man an den drei Karnevalstagen zwar "nach Möglichkeit" das Gefängnis beobachten werde, doch seien an diesen Tagen die Polizeibeamten in allen Stadtteilen dringend erforderlich. Den Lärm in den Straßen nahe dem Gefängnis zu verbieten, "erscheint nicht angängig", und ihn zu verhindern, müßten die Straßen abgesperrt werden. Und so weit wollte man es denn doch an den tollen Tagen nicht kommen lassen - auch nicht der Justiz zuliebe.
Karnevalistische Neugründungen und Lustbarkeiten mußten in alter Zeit, die keineswegs immer gut war, bei der "hochwohllöblicheri' Polizeibehörde angemeldet und von ihr gebilligt werden. Ein Blick in alte Akten, die im Stadtarchiv aufbewahrt werden, ist recht amüsant. So "gestattete" sich zum Beispiel im Dezember 1900 ein Jeck von der Kurfürstenstraße, der das Schreiben auch gleich als l. Vorsitzender unterzeichnete, "ergebene Mittheilung zu machen", daß 16 Gleichgesinnte in einem Lokal in Oberbilk eine Karnevalsgesellschaft unter dem Namen "Faule Brüder' gebildet hätten. Bei der karnevalistischen Unterhaltung, um die man sich bemühe, sei, wurde um gutes Wetter gebeten, "jedes Politische und Religiöse vollständig ausgeschlossen". Bei einer Gala-Damensitzung Anfang 1901 war beabsichtigt, "zum Schlusse von 11 bis 1 Uhr ein Tanzkränzchen unter den Mitgliedern ohne jedwedes Einholen von Entre oder Tanzgeld zu veranstalten", und auch dafür ersuchte man "um gefällige Ertheilung der eventuell erforderlichen Erlaubniß". Die Bitte, am Karnevalssonntag 1901 einen "humoristischen Umzug" - mit fahrender Zigeunerkapellc und "zwei bis drei Wagen mit Pferde- und Eselsgespann" - veranstalten zu dürfen, verband ein Karnevalist von der Schadowstraße mit der Versicherung, daß seine "Gesellschaft aus durchaus ruhigen Leuten der besseren Düsseldorfer Bürgergesellschaft besteht". Die Polizei mußte sogar ihren Segen geben, als damals Prinz Theo vor seiner Wohnung an der Ratinger Straße ein Ständchen gebracht wurden sollte. Es fanden übrigens nicht alle Anträge das huldvolle I'lazct der Behörde. Als beispielsweisc das Tambourcorps des St.-Sebastianus-Schützenvereinsim Februar 1905 darum bat, an den drei Fastnachtstagen ein paar Stunden durch die Straßen ziehen zu dürfen - "einesteils zur Belebung des Straßenbildes und zur Erheiterung, andernteils jedoch, um den Zweck einer Übung zu erfüllen" -, winkte die Polizei ab: Während dieser Tage sei schon genug Lärm auf der Straße, "so daß es geradezu Hohn wäre, wenn dem Gesuche stattgegeben würde. Außerdem würde dem TrommlerCorps die ganze maskicrte Gesellschaft folgen, so daß ein großer Aufzug entstünde".